Experten-Interview

Führungsstile – Ein Überblick

Moderator

Ich begrüße sie heute im Ratgeberstudio „Mitarbeiterführung“ zum Thema „Führungsstile“. Bei uns ist heute Führungs-Experte Jürgen Frasch von der e.a.s.i. business academy.

Herr Frasch: Was genau ist denn überhaupt ein Führungsstil?

Jürgen Frasch

Guten Tag Herr Schneider. Das ist zum Einstieg tatsächlich eine gute und wichtige Frage. Wikipedia sagt dazu:

Der Begriff Führungsstil bezeichnet ein langfristiges, relativ stabiles, von der Situation unabhängiges Verhaltensmuster einer Führungskraft, das zugleich die Grundeinstellung gegenüber den Mitarbeitern zum Ausdruck bringt.

Ich persönlich würde es ergänzend so beschreiben, dass ein Führungsstil, eine definierte, wiederholbare Art und Methode ist, sich gegenüber über Mitarbeitern zu verhalten.

Überspitzt gesagt, könnte ich z.B. zwei Führungsstile definieren:

  • Nr 1: Schreien
  • Nr 2: Zuhören

Der Führungsstil „Schreien“ hätte dann das wiederholbare Verhalten des Schreiens und die innere Einstellung „Du hat mir jetzt zuzuhören“ zueigen

Der Führungsstil „Zuhören“ hätte dann das wiederholbare Verhalten des Zuhörens und die innere Einstellung „Ich möchte Dich verstehen“ zueigen.

Moderator

Okay – verstehe. Es geht also um die Titulierung bestimmter Verhaltensmuster oder Führungsprinzipien von Führungskräften gegenüber ihren Mitarbeitern.

Und was genau wird mit damit bezweckt?

Jürgen Frasch

Die Idee, die hinter den Führungsstilen steht, ist der Versuch, ein eindeutig beschreibbares Führungsverhalten zu finden, das unabhängig von der Situation immer zu denselben Ergebnissen führt.

Es geht also um reproduzierbare Führungsergebnisse durch bestimmte, definierte Verhaltensweisen von Führungskräften.

Könnte also der eine „all selig machende Führungsstil“ gefunden werden, der unabhängig von der Situation und der zu führenden Mitarbeiter immer funktioniert, müsste dieser nur noch sauber beschrieben und lernbar gemacht werden. Dann könnten gute Führungskräfte quasi „aus der Retorte“ produziert werden.

Moderator

Das hört sich tatsächlich interessant an. Doch wie ich heraushöre, ist es noch nicht wirklich gelungen, diesen EINEN Führungsstil zu finden, der immer und überall funktioniert?

Jürgen Frasch

Genau so ist es. Es wurden tatsächlich viele Studien dazu durchgeführt, aber es konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass ein bestimmtes Führungsverhalten unabhängig von der Situation und den geführten Menschen immer wieder zu denselben Ergebnissen führt.

Deshalb kann nach aktuellem Stand der Wissenschaft wohl keine verlässliche Aussage darüber getroffen werden, dass der Führungsstil X der generell richtige Ansatz ist, um Menschen effektiv zu führen.

Vielmehr hat sich gezeigt, dass viele Faktoren darauf Einfluss haben, wie wirksam oder effektiv eine Führungskraft in ihrer Führungsrolle ist. Das hängt neben der Führungskompetenz – was z.B. die Beherrschung eines bestimmten Führungsstils sein – auch sehr stark von der Situation selbst und vom sog. „Reifegrad“ der geführten Personen ab.

Moderator

Hm – jetzt wird es aber tatsächlich richtig wissenschaftlich. So einfach wie ich dachte, scheint es also gar nicht zu sich einen effektiven, wirkungsvollen Führungsstiel zu anzueignen.

Haben Sie mir ein Beispiel, um das besser zu verstehen?

Jürgen Frasch

Genau so ist es, Herr Schneider. Und ich glaube, das ist auch der Grund, warum es „da draußen“ in der freien Wirtschaft so große Unterschiede in der Qualität und Wirkung von Führung gibt. Lassen Sie es mich am Beispiel des Segelns erklären:

Der Reifegrad der Mannschaft wird zum einen durch das „Können“ (also wie gut beherrschen die Mitarbeiter das Handwerk „segeln“) und zu anderen durch die „Persönlichkeit“ (also wie Sozialkompetent und Teamfähig sind die Teammitglieder) repräsentiert.

Je höher der „Reifegrad“ umso mehr kann die Führungskraft vertrauen und „die Dinge laufen lassen“. Je geringer der Reifegrad, umso konsequenter muss sichergestellt und kontrolliert werden, dass die Dinge auch so getan werden, wie sie im Sinne der Führungskraft – des Kapitäns – getan werden müssen.

Die Situation wird beispielsweise durch die Windstärke beeinflusst. Bei schönem Wetter und wenig Wind kann der Kapitän „Laissez-faire“ – also mit „langer Leine“ führen. Je kritischer die Situation (mehr Wind, mehr Gefahr, andere Schiffe in der Nähe) umso direktiver muss geführt werden.

Moderator

Das ist tatsächlich einleuchtend. Bei Sturm muss der Kapitän anders führen, als bei eitel Sonnenschein. Und natürlich macht es einen Unterschied, ob die Crew ein erfahrenes Team oder ein Haufen frisch angelernter Matrosen ist.

Bedeutet das, dass das Ding mit den „Führungsstilen“ überhaupt keinen Sinn macht?

Jürgen Frasch

Wenn wir das alles so betrachten, könnten wir tatsächlich Schlussfolgern, dass dieser Ansatz mit den Führungsstilen zwar gut gemeint ist, am Ende des Tages aber nichts bringt.

Ich bin dennoch anderer Meinung. Ich glaube, dass es – vor allem auch für die Ausbildung von Führungskräften – von entscheidender Bedeutung ist, zu wissen, welche grundlegenden Führungsstile es gibt.

Es gibt wirklich sehr viele Bezeichnungen und Definitionen dazu. Hier über alle zu reden würde den Rahmen sprengen und mehr verwirren, als weiterhelfen.

Die gängigste Unterscheidung von Führungsstilen ist folgende:

Ich persönlich arbeite mit der Unterscheidung

Direktiv, kooperativ und Laissez-Faire.

Moderator

Das heißt, sie empfehlen tatsächlich auch einen Führungsstil, der nicht kooperativ ist? Das wundert mich nun doch. Ist es nicht „Zeitgeist“, stets kooperativ zu sein und die Mitarbeiter mit einzubeziehen?

Jürgen Frasch

Unter „Direktiv“ verstehe ich einen, den Menschen respektierenden und dennoch anweisenden, hierarchischen Führungsstil, der klar sagt, was zu tun ist. (Autoritär hingegen lässt den Mitarbeiter als Menschen außen vor).

Es macht tatsächlich öfter Sinn, als man denkt, eher direktiv als kooperativ oder gar Laizzez Faire zu führen – nämlich dann, wenn die Situation brisant oder der Reifegrad der Mitarbeiter gering ist.

Je entspannter die Situation, je höher der Reifegrad der Mitarbeiter, umso kooperativer und Laissez Fairerer kann ich führen.

Kurz gesagt:

Situation Reifegrad Effektiver Ansatz
Wenig Brisanz niedriger Reifegrad Kooperativ – direktiv, unterweisend
Wenig Brisanz hoher Reifegrad Kooperativ – Laissez faire
Hohe Brisanz niedriger Reifegrad Direktiv, anweisend, kontrollierend
Hohe Brisanz hoher Reifegrad Direktiv – kooperativ, delegierend

Moderator

Okay – das ist ja zumindest mal eine klare Empfehlung. Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass der allgemein proklamierte Ansatz des „kooperativen Führens“ nicht immer funktioniert und es „da draußen“ noch immer so viel „Führungsfrust“ gibt.

Da kommt mir eine weitere Frage in den Sinn – gibt es denn eigentlich so etwas wie „DEN Führungstyp“ oder „DIE Führungspersönlichkeit?

Jürgen Frasch

Schön, dass Sie das noch ansprechen, Herr Schneider. Tatsächlich haben ja viele im Bezug auf die „ideale Führungskraft“ einen bestimmten Typus Mensch im Kopf:

Charismatisch, durchsetzungsstark und dabei doch verständnisvoll.

Studien haben aber auch hier nachgewiesen, dass es nicht „den Führungstyp“ gibt. Auch leise und zurückhaltende Menschen können großen Führungseinfluss gewinnen.

Wir arbeiten nicht mit dem „Idealen Führungstyp“ sondern mit dem „Bergführer Modell“. Verschiedenste Typen können gute Bergführer sein. Doch alle brauchen grundlegende Charakterzüge und Kompetenzen.

Niemand würde mit einem „Berg-Treiber“ freiwillig einen Gipfel erklimmen. Ein Berg-Führer braucht zu allererst und grundlegend, das Vertrauen seiner Mitstreiter. Nur dann werden Sie ihm freiwillig auf den Berg folgen und auf dem Weg zum Gipfel „bei der Stange bleiben“.

Und zwar auch dann, wenn der Bergführer situativ einen direktiven Ton anschlägt – z.B. wenn ein Gewitter aufzieht oder Nacht hereinbricht. Ich kann auch direktiv und gelichzeitig respektvoll sein.

Moderator

Das ist interessant. Das heißt, Sie empfehlen den Führungskräften, gute Bergführer zu sein?

Jürgen Frasch

So ähnlich. Wir verwenden das Bild des „Bergführers“, um zu erklären, was wir unterer einer „Leadership Persönlichkeit“ verstehen.

Wir vermitteln den Führungskräften, eine menschenorientierte Grundhaltung, die von Vertrauen, Klarheit und Zielstrebigkeit geprägt ist. Das ist es, was wir unter gelebtem „Leadership“ verstehen:

Konsequentes Handeln, auf hohem menschlichem Niveau.

Vertrauen, als Grundlage, entsteht aus zwei Dingen:

Charakter und Kompetenz.

Unsere Leadership Trainings konzentrieren sich genau auf diese zwei Aspekte:

  • Entwickeln der „Leadership-Persönlichkeit“ (Charakter)
  • Trainieren von Führungs-Kompetenz (den situativ effektiven Führungsstil)